Das urslawische mythologische Erbe in Podstrana
Zusammen mit dem benachbarten Žrnovnica hat Podstrana in der Toponymie seines Raumes ein ungewöhnlich reiches Netzwerk an authentischen Spuren der urslawischen sakralen Landschaftsinterpretation bewahrt. Perun, Schlangenstein /Zmijski kamen/ und Die heilige Muttergottes in Sita /Gospa u Siti/ sind die bedeutendsten Toponyme der urslawischen mythologischen Legenden, deren Wurzeln noch weiter zurück in die urindoeuropäische Vergangenheit reichen. Diese haben erst die angesiedelten Kroaten im Laufe des 7. Jh. nach Podstrana mitgebracht.
Dieses Netzwerk der ältesten kroatischen Ortsnamen stellt ein lebendiges Zeugnis der ursprünglichen Kultur und Weltanschauungen dar, deren Teil die Kroaten bis zu ihrer Christianisierung waren. Es ist das erste Kapitel der kroatischen Geschichte. Die Überreste und die Spuren dieser uralten Kulte und Heiligtümer verbinden Podstrana nicht nur mit anderen Fundstätten von gleichen Inhalt in Kroatien, z. B. mit dem Perun auf Učka in Istrien, sondern auch mit einer Vielzahl von ähnlichen Stätten über das ganze große Gebiet von Europa und Asien, welches gerade durch die Sprache, Toponymie und Interpretation der alten Slawen so stark geprägt ist. Die Authentizität dieser Stätten ist einer der Vorteile des Kultur- und Tourismusangebots von Podstrana.
Perun
Perun ist der Name eines urslawischen Hauptgottes, dem in der mythologischen Landschaftsinterpretation die Berggipfel gewidmet wurden. In Podstrana ist Perun der Name des nordwestlichen Teils der Küstenhänge von Mosor und deren Gipfeln oberhalb der Mündung von Žrnovnica und Strožanac: Perunsko (441 m), Veliki Perun (443 m) und Perunić (448 m). Das Heiligtum des Perun befand sich offenbar im westlichsten von denen, Perunsko, als ein Teil der urgeschichtlichen Festung, der sogenannten Duga gomila.
Perun hat man sich als einen furchterregenden Donnergott vorgestellt, der von seinem hohen Thron in einer Burg am Berg aus (oder auf einem trockenen Zweig im Wipfel) die Gerechtigkeit walten lässt und die Ordnung in der Welt aufrechterhält. Nach der Christianisierung der Slawen wurden gemäß damaliger kirchlicher Tradition Kirchen errichtet, die jenen Heiligen geweiht wurden, deren Persönlichkeit und Qualität am besten geeignet waren, die Eigenschaften dieses urslawischen Gottes zu ersetzen. Das war vor allem der heilige Elija, gefolgt vom heiligen Michael und dem heiligen Veit. Der heilige Georg, der beliebte christliche Heilige und Schutzpatron zahlreicher christlichen Gemeinschaften, hat bei den christianisierten Slawen den Jarovit (Jarilo), den Sohn von Perun, einen jungen Frühlingsgott ersetzt, mit dem viele alte Glauben und Bräuche verbunden wurden. Vielerorts wurden die dem hl. Georg geweihten Kirchen am Ort des Kultes von Perun errichtet, wie das in Podstrana der Fall ist. Auf eine eigene Weise wird somit die Tradition der Verehrung beider Götter fortgesetzt.
Der Schlangenstein /Zmijski kamen/
Die erste schriftliche Erwähnung des Toponyms Schlangenstein findet man in einer aus Split stammenden alten Urkunde aus dem Jahre 1178 in der slawischen Form Smicamic, als dem Namen eines Ortes unterhalb von Perun am Fluss Žrnovnica, von dem seine alte kroatische Form Zmij kamik stammt.
Nach der uralten mythischen Weltanschauung befand sich, in diesem gewundenen steinernen Graten der Gott Veles, der Gegenpol des Gottes Perun, der schlängelnd dessen Burg auf dem Berggipfel zu ergattern und einen Konflikt auszulösen versucht. Nämlich, solange der Gott Perun oben und der Gott Veles unten ist, ist die Welt in Ordnung. Wenn dieses Verhältnis gestört wird und die Welt ins Chaos stürzt, beginnt der Kampf der Götter (Božanski boj – das steinerne Relief mit Darstellung dieses Kampfes befindet sich an der Fassade der Pfarrkirche in Žrnovnica). Dann schlägt der Donnergott Perun den Gott Veles, das wütende Biest in Form eines Drachen oder einer Schlange, mit Donner und Blitz solange bis er sich in ein Loch in der Unterwelt, wo er auch hingehört, verkriecht. So wird die Welt wieder in Ordnung gebracht. Perun hat Veles aus Podstrana umgebracht und in eine nahe gelegene Weide und Schlamm hineingedrückt. Deswegen werden noch heute die Orte am Unterlauf von Žrnovnica so genannt.
Der Schlangenstein von Podstrana teilt das Schicksal vieler anderer Heiligtümern von Veles kreuz und quer durch den ganzen slawischen Raum, die nach der Christianisierung fälschlicherweise mit dem Bösen d.h. mit dem Teufel verbunden wurden. Dieses Heiligtum war verwüstet und ist in Vergessenheit geraten, bis ihm schließlich, als einer kulturhistorischen Sehenswürdigkeit aus dem ältesten Zeitalter dortiger Präsenz der Kroaten, Schutz gewährt wurde.
Die heilige Muttergottes in Sita /Gospa u Siti/
Auch dieser Toponym aus Podstrana kann außerhalb des slawischen mythologischen Zusammenhangs, der ihn als einziger sinnvoll zu erklären vermag, nicht verstanden werden.
Sita oder šašika ist der Name für eine Pflanzenart der Gattung Juncus, deren Stängel zur Anfertigung von verschiedenen geflochtenen Gegenständen im Haushalt, wie Körbe, Siebe u.ä., verwendet wurden und die dieses ehemalige Moorgebiet, in der Nähe der Mündung des Flusses Žrnovnica bewachsen hat. Feuchte Erde, Sümpfe und ihre spezifische Pflanzenwelt sind Elemente einer Umwelt von besonderer Art, die in der alten slawischen Mythologie der Göttin Mokoš gehörten (das urslawische Wort Mokošь stammt vom Verb „močiti“ d.h. nass machen und bedeutet „mokra“ also nass). Mokoš wurde als eine Gottesmutter verehrt, eben wie „die Mutter des feuchten Landes“, und man sah sie unter anderem auch als eine unermüdliche Flechterin, die sich eben auf diesen Orten aufhält, wo die Stängel von Pflanzen zum Spinnen und Flechten eingetaucht werden.
Als ein aus der urslawischen Mythologie stammendes Toponym bewahrt das Syntagma „die heilige Muttergottes in Sita“ einen Teil des Netzwerks der geheimnisvollen Verflechtungen dieser mythischen Welt. Die Kirche, die der seligen Jungfrau Maria geweiht ist, wurde offenbar auf einer Kultstelle der wichtigsten weiblichen mythischen Person der nichtchristianisierten Kroaten am Fuße des Berges Perun errichtet. So wurde die Kontinuität sowohl des Namens als auch der Heiligkeit dieser Lokalität bewahrt.